0. Systematische Behandlung von Gleichgewichten
Unabhängige Reaktionsgleichungen aufstellen
In jeder unabhängigen Reaktionsgleichung wird eine neue Spezies berücksichtigt
Mastervariable festlegen
Variable, als deren Funktion man möglichst viele andere Spezies berechnen kann
Startwerte festlegen
Welche Spezies gibt man in welchen Aktivitäten zu
Direktes Lösen durch aufstellen eines Gleichungssystems
Man kann Gleichungssysteme lösen, indem man gekoppelte Gleichungen aufstellt und diese dann durch einen Solver direkt lösen lässt. Das geht für einfache Fälle sehr gut. Bei komplizierten Fällen ist sie hingegen ungeeinget. Die Rechenzeit steigt mit zunehmender Anzahl Gleichungen sehr stark und manche Fälle (Kombination aus Komplex- und Fällungsreaktionen) lässt sich nur auf diesem Weg überhaupt keine Lösung finden. Eine Lösung mit Mastervariabeln und Bilanzen, die grafischen Methoden angelehnt ist, ist hingegen immer möglich und auch bei komplexen Systemen effizien
Systematische Lösung mit Mastervariabeln, Bilanzen und Iteration
Bei dieser Lösungsvariante werden die Konzentrationen aller Spezies als Funktion möglichst weniger Mastervariabeln ausgedrückt - in vielen Fällen reicht eine einzige, und oft ist der pH geeignet. Nun kann man alle Gleichgewichte als Funktion dieser einen Variabeln darstellen - allenfalls sind es zwei und man erhält für jede Spezies Flächen.
Dann benötigt man für jede Mastervariable eine Bilanz, die bei der Lösung verschwindet (Null wird). Trägt man diese Bilanz auch auf, erkennt man die Lösung (Nullstelle), man kann die Bilanz aber auch für eine iterative Lösung verwenden.
Geeignet für eine Bilanz kann
die Ladung sein (sobald nur ungeladene Spezies zugegeben werden, z.b. Lösen eines Salzes in Wasser und anschliessende Säure/Base-Reaktion) (Ladung der Kationen plus Ladung der Anionen muss Null sein).
die Protonenbilanz (Gesamte Menge der freigesetzten mit der wegreagierenden Protonen minus die Protonenkonzentration muss Null sein.
Gesamtbilanz eines Zentralions oder aller Spezies einer Säure.
Ein wichtigstes Hilfsmittel kann eine Zustansdssumme (partition function) sein - dieser sehr passende Begriff stammt aus der Thermodynamik und kann auf Gleichgewichtsberechnungen übertragen werden. Wenn man für einen gegebenen pH schnell berechnen will, wie viel von welcher Säuerspezies vorliegt, kann man das Verhältnis der Säurespezies berechnen. Beispielsweise kann man den Anteil der vollständig protonierten Spezies auf 1 festlegen und dann für jede andere Spezies relativ dazu berechnen, wie gross ihre Konzentration ist (umgestellte Hendersson Hasselbalch). Die Summe dieser relativen Konzentrationen ist die Zustandssumme. Teilt man nun eine relative Konzentrationen durch die Zustandssumme, so erhält man den relativen Anteil der Komponente (relative Anteile ergeben in der Summe 1). Multipliziert man den relativen Anteil mit der Gesamtkonzentration, so erhält man die Konzentration der entsprechenden Spezies. Im Folgenden werden relative Konzentrationen durch ein vorangestelltes a_ markiert.
Beispiel: in welchen Konzentrationen liegen die Schweflige-Säure-Spezies bei pH 1 vor?
Vorgehen systematische Lösung mit Mastervariabeln, Bilanzen und Iteration
Funktion
Zuerst schreibt man eine Funktion, die als Funktion der Mastervariablen die Werte sämtlicher Spezies (und zusätzlicher nützlicher Grössen wie pH) zurückgibt. Zudem soll die Funktion eine Bilanzgrösse ausgeben, die bei der Lösung Null wird.
Grafische Lösung
Nun trägt man die gewünschten Sepezieskonzentrationen, weitere Parameter und den Bilanzwert auf. Die Lösung kann man an der Nullstelle des Bilanzwertes ablesen. Indem man den Bereich der Mastervariabeln mehr und mehr eingrenzt, kann man den Wert praktisch beliebig genau grafisch ablesen.
Iterative Lösung
Durch rekursive Iteration kann man auch rein rechnerisch den Punkt ermitteln, bei dem die Bilanzgrösse verschwindet.
Übersichtliche Darstellung mit Tableaus
Mit Hilfe von Tableaus (aquatische Chemie) kann man Gleichungssysteme übersichtlich darstellen. Man legt Komponenten fest ("a set of chemical entities that permits a complete descriotipn of the stochiometry of the system"), drückt die anderen Konzentrationen als Funktion dieser Komponenten aus und kann Gleichungsreaktionen und Bilanzen aus diesen Tableaux ablesen. Die Tableaux sind allerdins einigermassen abstrakt. Auch ohne Tableaus kann folgende Überlegung nützlich sein: Wenn ein System aus r unabängigen Reaktionen (Gleichungen) besteht, in denen s Spezies auftreten, so benötigt man nebst der Gleichungen s-r Komponenten für eine Beschreibung des Systems.
Bilanzen
Nun braucht es noch Bilanzen. Oft kann man aus verschiedenen Möglichkeiten auswählen.
Bilanzen können auch sein:
Protonenbilanz: Gebildete H3O+ abzüglich wegreagierte H3O+ ergibt Konzentration von H3O+
Wenn eine bestimmte Menge Phosphorsäure in Wasser gelöst wird: die Summe aller Phosphorsäurespezies
Da in dieses System nur ungeladenen Formeleinheiten zugegeben werden, muss die gesamte Ladung z.B. Null sein
Mastervariable
Wenn alle Konzentrationen als Funktion einer Mastervariablen ausgedrückt werden. Die Verläufe der Konzentrationen werden "an die Mastervariable gehängt"
1. Säure/Base-Gleichgewichte und Titrationskurven
Die unabhängigen Reaktionsgleichungen
In jeder unabhängigen Reaktionsgleichung wird eine neue Spezies berücksichtigt. Eingesetzt sind die Gleichgewichtskonstanten von Phosphorsäurespezies
Säure/Base-Reaktionen
Autoprotolyse
Direktes Lösen des Gleichungssystems
Welcher pH stellt sich ein, wenn reine Phosphorsäure der Konzentration c0 in Wasser gelöst wird?
Formelumsätze
Reaktion (1): Formelumsatz a
| + | ||||
| Start | 0 | 0 | ||
| Umsatz | -a | a | a | |
| Glgw | a - b | a + b + c + d |
Reaktion (2): Formelumsatz b
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | -b | b | b | |
| Glgw | a-b | b - c | a + b + c + d |
Reaktion (3): Formelumsatz c
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | -c | c | c | |
| Glgw | b-c | c | a + b + c + d |
Reaktion (4): Formelumsatz d
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | (-d) | d | d | |
| Glgw | (-d) | a + b + c + d | d |
Bilanzen
{} =
{} = a - b
{} = b - c
{} = c
{} = a + b + c + d
{} = d
Auch wenn man Autoprotolyse auskommentiert, dauert das Lösen folgender Gleichungen etwa eine Stunde. Daher ist das hier auskommentiert, damit die Werte bleiben.
Lösung mit Mastervariabeln (Grafisch und iterativ)
Bei dieser Lösung erhält man ohne zusätzlichen Aufwand Puffer- und Titrationskurven mitgeliefert. Die Lösung wird in Sekundenbruchteilen gefunden - im Vergleich zu einer Stunde beim direkten Lösen.
Auch die Berücksichtigung der Autoprotolyse beteutet praktisch kenen Zusatzaufwand (um sie zu entfernen müssen nur die Zele 2, die Bilanz und die Rückgabe angepasst werden
2. Kalk löst sich in reinem Wasser
Beispiel 1: Kalk steht in wässriger Lösung im Gleichgewicht mit Kohlendioxid. Der Kohlendioxidgehalt kann variieren (Algen machen PHotosynthese).
Die unabhängigen Reaktionsgleichungen
In jeder unabhängigen Reaktionsgleichung wird eine neue Spezies berücksichtigt Lösen von Kalk in Wasser
Protonierung des Carbonat-Ions
Protonierung des Hydrogencarbonat-Ions
Autoprotolyse
Direktes Lösen des Gleichugnssystems
Formelumsätze
Reaktion (1): Formelumsatz a
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | (-a) | a | a | |
| Glgw | 1) | a | a - b |
Reaktion (2a): Formelumsatz b
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | -b | b | b | |
| Glgw | a-b | b - c | b + c + d |
Reaktion (3a): Formelumsatz c
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | -c | c | c | |
| Glgw | b-c | c | b + c + d |
Reaktion (4): Formelumsatz d
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | (-d) | d | d | |
| Glgw | (-d) | d | b + c + d |
Bilanzen
{} = 1
{} = a
{} = a - b
{} = b - c
{} = c
{} = 1
{} = d + b + c
{} = d
Graphische und iterative Lösung
3. Lösen von Kalk im Gleichgewicht mit CO2 aus der Gasphase
Beispiel 1: Kalk und CO2 lösen sich im Wasser. Der Kohlendioxidgehalt kann variieren (Algen machen PHotosynthese). Hier stammt H2CO3 primär nicht aus der Protonierung von Carbonationen, sondern aus dem Gleichgewicht mit CO2 der Gasphase
Die unabhängigen Reaktionsgleichungen
In jeder unabhängigen Reaktionsgleichung wird eine neue Spezies berücksichtigt
Lösen von Kalk in Wasser
Protonierung des Carbonat-Ions
Protonierung des Hydrogencarbonat-Ions
Autoprotolyse
Lösen von Kohlendioxid in Wasser
Direktes Lösen des Gleichungssystems
Formelumsätze
Reaktion (1): Formelumsatz a
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | (-a) | a | a | |
| Glgw | 1) | a | a - b |
Reaktion (2a): Formelumsatz b
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | -b | b | b | |
| Glgw | a-b | b + c | b + c + c |
Reaktion (3a): Formelumsatz c
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | -c | c | c | |
| Glgw | e - c | b + c | b + d |
Reaktion (4): Formelumsatz d
| + | ||||
| Start | 1 | 0 | 0 | |
| Umsatz | (-d) | d | d | |
| Glgw | (-d) | c + d | b + d |
Reaktion (5): Formelumsatz e
| Start | 0 | |||
| Umsatz | (-e) | e | ||
| Glgw | ) | e - c |
Bilanzen
{} = 1
{} = a
{} = a - b
{} = b + c
{} = e - c
{} = 1
{} = b + d
{} = c + d
{} = p(CO2)
!!! Vorsicht, nächstes Element dauert lange !!
Daher sind hier diese Rechnungen alle auskommentiert, damit das System nicht bei einem Restart hier hängen bleibt.
Graphisch-Iterative Lösung
4. Metall-Komplexe
Solver: Wie ist die Speziierung, wenn die GEsamtmenge des zugesetzten Ammoniak = 0.04 ist?
5. Metallkomplexe mit NH3 und Fällung infolge der Reaktion von NH3 als Base
Mit Fällung
Hier werden die Konzentrationen der verschiedenen Spezies dargestellt für einen fixen pH als Funktion der freien Ligandenkonzentration also: pH: gepuffert beim eingestellten pH
Für wird hier natürlich nicht die Konzentration oder Aktivität angezeigt, sondern die Menge, die pro Liter gefällt wurde und nicht mehr in der wässrigen Lösung vorliegt sondern in eigener Phase
Lösung für eine bestimmte Menge an zugegebenem Ammoniak
Sucht man die Lösung für eine bestimmte Menge an zugegebenem Ammoniak, so muss man nach zwei Mastervariabeln lösen - den pH und dann die totale Menge an Ligand. Man muss also in zwei Dimensionen lösen:
Dabei wird man für jede freie Ligandenkonzentration den richtigen pH suchen anhand der OH-Bilanz (wie oben)
Unter diesen Lösungen sucht man diejenige freie Ligandenkonzentration, welche der richtigen totalen Ligandenmenge entspricht.
Die Lösung kann man natürlich auch grafisch in den obigen Diagrammen ablesen.
Korrektur der Aktivität entsprechend Ladung und Ionenstärke (Davies-Gleichung)
#https://de.wikipedia.org/wiki/Davies-Gleichung
im Massenwirkungsgesetz werden Aktivitäten a, nicht Konzentrationen c eingetragen die Umrechnung erfolgt mittels Faktor f:
a = c * f
Die Dielektrizitätskonstante hängt auch von der Konzentration der Ionen ab, was hier aber nicht berücksichtigt wird (unten für Kochsalz vorbereitet, aber c = 0 eingesetzt)